Zur Kormoranproblematik (in Bayern und anderswo)

Ich glaube, grundsätzlich ist die Kormoranproblematik jedem Fischer bekannt. Warum also noch weitere Worte darüber verlieren? Nun, aktuell gibt es dafür einen ganz konkreten Grund: Der Winter 2016/2017 war zeitweise nämlich relativ streng, so dass zumindest hier in Oberbayern die meisten Stillgewässer etwas länger als sonst zugefroren waren. Genau diese Phasen, die oft zwischen Januar und Anfang März auftreten, sind es dann, wo sich die großen Kormorankolonien, die es seit den 90er Jahren wieder z.B. am Chiemsee oder am Ismaninger Speichersee gibt, auf zu den umliegenden Fließgewässern machen, um dort ihren Hunger zu stillen. Das ist natürlich insbesondere für kleinere Wiesenbäche katastrophal, was wir an einem meiner Hausgewässer auch beim E-Fischen feststellen konnten: Gerade da, wo einzelne Vereinsmitglieder im Winter immer wieder größere Ansammlungen von Kormoranen entdeckt hatten, ist die Alterspyramide - soweit wir das sehen können - völlig hinüber. Es gibt noch ein paar größere Forellen im Bach, etwas weniger aus der mittleren Altersklasse - aber keinerlei Jungfische mehr. Demgegenüber steht ein ortsnah gelegener Teil des Bachoberlaufs, der zusätzlich beidseitig von Bäumen gesäumt ist, so dass hier in der Regel keine Kormorane anzutreffen sind. Dort ist die Alterspyramide perfekt strukturiert. Eine ähnliche Beobachtung habe ich noch bei einem anderen Hausgewässer, ebenfalls ein Wiesenbach, gemacht. In den letzten Jahren war dort ein sehr starker Bestand an besetzten Regenbogenforellen und natürlich vorkommenden Bachforellen zu beobachten - dieses Jahr ist der Bach nahezu fischleer. Noch im März, also schon nach der schlimmsten Kältephase, konnte ich beim Spaziergang am Wasser jedoch an einzelnen Uferbereichen Gruppen von 20-30 Kormoranen beobachten...
Man darf also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass genau das eingetreten ist, was engagierte Fischer schon seit Jahren kolportieren: Wenn es im Winter strengere Kälteperioden gibt, führt das unweigerlich zu einer massiven Bedrohung der Fischbestände in Fließgewässern durch Kormoranfraß! Soweit, so bekannt... Worauf es nun ankommt, ist, sich in Gesellschaft und Politik dafür einzusetzen, dass der Schutz des Kormorans, dessen Daseinsberechtigung im Binnenland bis heute anscheinend noch nicht abschließend geklärt ist (siehe z.B. den Beitrag bei Royal Flyfishing hier), nicht als wichtiger oder höherwertiger einzuordnen ist, als der Schutz gesichert heimischer Tierarten wie der Bachforelle oder der Äsche. Auch wenn das auf den ersten Blick offensichtlich klingt, sehen das die großen Naturschutzverbände (NABU, LBV etc.) gerade nicht so, was sich unter anderem in der Wahl zum Vogel des Jahres 2010 wiedergespiegelt hat. Ganz ungeachtet der Debatte um die Daseinsberechtigung des Kormorans muss diesem überhöhten Schutz einer einzelnen Tierart mit aller Kraft entgegen gehalten werden!
Rein rechtlich betrachtet, ist das in Bayern glücklicherweise bereits der Fall - hier gilt seit 2008 die Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten (kurz: Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung - AAV), die - außerhalb von Naturschutzgebieten, Vogelschutzgebieten und Wohngebieten - zwischen 16. August und 14. März "[...] zum Schutz der heimischen Tierwelt [...] die Tötung von Kormoranen [...] durch Abschuss in einem Umkreis von 200 m um Gewässer erlaubt". Das ist in der Theorie ein unglaublich starkes Instrument, dass uns der bayrische Gesetzgeber da an die Hand gegeben hat, gibt es doch bereits Berichte von Gewässern, wo sich z.B. der Äschenbestand wieder deutlich verbessert hat, nachdem man angefangen hat, den Kormoran im Umkreis scharf zu bejagen. Ich schreibe aber bewusst "in der Theorie", weil es eben noch immer viel zu wenige Gewässer gibt, die von der AAV direkt profitieren. Grund dafür ist das deutsche Jagdrecht, dass - ähnlich wie bei Fischwassern - auf dem Prinzip von Gemeinschaftsrevier und Pächter basiert. Konkret heißt das, dass die meisten jagdbaren Flächen einzelnen Revierpächtern unterstellt sind, die ihr Revier weitestgehend nach eigenen Vorstellungen bewirtschaften können. Für die Kormoranbekämpfung ist leider genau das der Hemmschuh: Interessiert sich nämlich ein Revierpächter nicht für die Fischerei, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Chance, die die AAV bietet, ungenutzt verfällt. Da der Kormoran nicht gerade zu den klassischen Speisevögeln gehört und sein Wildbret wohl nur bedingt schmackhaft ist, besteht für den Pächter schlichtweg kein Grund, durch die Kormoranjagd Unruhe in sein Revier zu bringen. Und genau hier muss man meiner Meinung nach ansetzen: Auf lokaler Ebene müssen sich die Fischereivereine, die von Kormoraneinfall bedrohte Gewässer bewirtschaften, an die zuständigen Jagdpächter wenden und um zumindest gelegentliche Kormoranbejagung bitten. Noch besser wäre es natürlich, für die Jagdscheininhaber unter den Vereinsmitgliedern räumlich und zeitlich begrenzte Begehungsscheine zu erwirken (zum Beispiel begrenzt auf Januar und Februar und auf den Bereich von 200 m links und rechts des Bachverlaufs). Selbst wenn dafür eine Gebühr verlangt wird - was das gute Recht des Jagdpächters wäre - wäre es für die meisten Fischereivereine wohl eine im Vergleich zu den Kosten der Besatzmaßnahmen überschaubare finanzielle Belastung, die gleichzeitig schon nach kurzer Zeit zum Erfolg führen sollte. Es geht nämlich nicht darum, die örtliche Kormorankolonie "auszurotten" - aber schon die Entnahme von einzelnen Individuen wird mittelfristig dazu führen, dass die Kolonie den gefährlichen Bereich verlässt und sich andernorts geeignete Schlafbäume sucht.
Auf übergeordneter Ebene wäre es erstrebenswert, dass die Fischerei- und Jagdverbände sich zusammen setzen und nachhaltigere Lösungen erarbeiten, die im Idealfall wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Wenn sich praktikable Lösungen vielleicht sogar gesetzlich manifestieren lassen und die Kormoranbejagung für klassische Jäger attraktiver oder für jagdlich versierte Fischer erleichtert würde, wäre jedenfalls der heimischen Fischfauna ebenso geholfen wie der privaten und kommerziellen Fischerei.

Zum Weiterlesen:
Der Landesfischereiverband Bayern e.V. hält zahlreiche Materialien zum Thema bereit. Eine Sammlung aktueller Beiträge findet sich auf der Verbandsseite unter http://lfvbayern.de/schuetzen/kormoran. Darüber hinaus gibt es die detailliert aufbereiteten Broschüren Kormoran- und Fischbestand, sowie Kormoran und Fischbestand - eine unendliche Geschichte. Zuguterletzt gibt es die ausgezeichnete Reportage Der Fall Kormoran, die man bei youtube in voller Länge anschauen kann.

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